Millennials

Interview mit René Lamsfuß

„Egozentrisch, sozial
und bodenständig …“

... so beschreibt eine neue Studie die Millennials. Warum diese Charakterisierung der jungen Zielgruppe nur auf den ersten Blick widersprüchlich ist und was das fürs Marketing bedeutet, erklärt der Chief Research Officer von VivaKi und Managing Director der Beratungsagentur Ninah im Gespräch mit jugendvonheute.de

jugendvonheute Warum tut sich das Marketing mit der jungen Zielgruppe der 18- bis 34-Jährigen generell so schwer?
René Lamsfuß Sie passen nicht in das Raster, das Sozialwissenschaftler und Kommunikationsexperten in den letzten Jahrzehnten über junge Zielgruppen gestülpt haben. Das Schema F, demzufolge eine Generation diese und jene Werte hat und entsprechend agiert, funktioniert nicht mehr – und seine Übersetzung in eine Marketingstrategie erst recht nicht.

jugendvonheute Was muss das Marketing aus Ihrer Sicht vorrangig ändern, um mit dieser Zielgruppe richtig umzugehen?
René Lamsfuß Es muss schneller werden. Auf Branchenveranstaltungen wird immer noch darüber geredet, wie die verschiedenen Medienkanäle verschmelzen und dass das mobile Zeitalter jetzt wirklich beginnt. Davon reden wir doch schon seit zehn Jahren – und versuchen immer noch, alles in unsere klassische Mediensystematik zu pressen. Der jungen Zielgruppe ist das egal – sie hat den Wandel längst vollzogen. Technik und Medien helfen ihr, das Leben zu organisieren: Von Entertainment bis Information, von Terminkoordination bis Banking. Für die Millennials spielt es längst keine Rolle mehr, ob das alles auf dem Handy, dem Tablet oder dem Laptop stattfindet.

jugendvonheute Mit der Millennial-Studie „The Pursuit of Happiness“ haben Sie die Zielgruppe unter die Lupe genommen. Worum ging es Ihnen dabei vor allem?
René Lamsfuß Zum einen wollten wir wissen, wie diese Generation tickt, die stärker nach ihrem persönlichen Glück strebt als jede andere vor ihr, und was sie umtreibt. Zum anderen ging es um die Frage, wie man diese Erkenntnisse in Marketingstrategien integrieren kann. Und letztlich war für uns als Agentur natürlich entscheidend, in welcher Situation man die Zielgruppe über welche Touchpoints erreicht. Denn was nützen die schönsten Erkenntnisse, wenn ich sie nicht in der strategischen Planung umsetzen kann.

jugendvonheute Fangen wir doch mal damit an, wie die junge Generation tickt …
René Lamsfuß … auf jeden Fall anders als die Generationen vor ihr! Die Millennials sind gleichermaßen egozentrisch, bodenständig und ausgesprochen sozial. Das mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen. Ist es aber nicht. Sie möchten – Stichwort Ego – ihre Träume verwirklichen. Sie wissen genau, was sie wollen, und haben konkrete Vorstellungen, was zum Beispiel ihre Karriere angeht. Gleichzeitig sind soziale Beziehungen enorm wichtig, wobei die Familie für sie an erster Stelle steht, noch vor Liebe & Partnerschaft. Konservative Werte sind für die junge Zielgruppe von großer Bedeutung, sie sucht nach Sicherheit und Beständigkeit.

jugendvonheute Rebellion war gestern…
René Lamsfuß … oder vorgestern. Ein Beispiel: Früher galt man als erwachsen, wenn man zu Hause ausgezogen war. Die Millennials haben für das Erwachsensein ganz andere Kriterien: eigene Entscheidungen treffen, finanzielle Unabhängigkeit, im Berufsleben stehen. Von zu Hause auszuziehen ist fürs Erwachsensein nicht mehr so entscheidend, weil sich die meisten Millennials gut mit ihren Eltern verstehen. Das klingt jetzt alles sehr nach Friede, Freude, Eierkuchen. Es ist aber nur der große Rahmen, in dem sich etwa zwei Drittel der Millennials bewegen. Das Individuum aber steht mehr denn je im Vordergrund – auch weil es noch nie so viele Möglichkeiten gab, sein Leben, seine Kommunikation und seine sozialen Kontakte so zu organisieren wie man will.

jugendvonheute Und was bedeutet das aus Ihrer Sicht für das Marketing?
René Lamsfuß Für die Millennials sind Marken wichtig, mit deren Werten und Zielen sie sich identifizieren können. Das klingt erst mal wie ein klassischer Marketingspruch. Was dahintersteckt ist, dass wir hier eine sehr heterogene Gruppe haben und es deshalb wirklich darum geht, sich auf die Werte des Einzelnen zu fokussieren. Deshalb passt beispielsweise das Thema Content Marketing – am besten personalisiert und on demand – sehr gut zur Zielgruppe. Wir haben die Millennials gefragt, was beim Kauf einer Marke für sie relevant ist. Zwei Drittel sagen: Ich kaufe Marken, die für Werte und Ziele stehen, die mir wichtig sind – mit Betonung auf „mir“.

jugendvonheute Klingt, als wäre es mit Patentrezepten für die Kreation schwierig. Gibt es dennoch eine Grundregel?
René Lamsfuß Millennials verlangen auch von Marken des täglichen Lebens, dass die authentisch sind und ihnen persönlich einen Mehrwert bieten. Das ist das große Thema, das die Kreativen angehen müssen. Natürlich darf Werbung lustig sein, aber sie darf nichts vorgaukeln, was die Marke letzten Endes nicht halten kann. Das sah man früher nicht so eng.

jugendvonheute Und wenn ich endlich ein wunderbares, kreatives und authentisches Werbekonzept habe – wie bringe ich es dann noch an die fragmentierte Zielgruppe?
René Lamsfuß Nicht mit Standardkampagnen wie früher, bei denen man sich die Reichweite über TV holte. Junge Erwachsene sitzen in der Regel nicht mehr zu einer bestimmten Uhrzeit vor dem Fernseher, weil sie ganz andere Zeitkonstrukte haben und ganz andere Touchpoints bei der gesamten Informationssuche zu Produkten. Wenn ich viele Kontakte erreichen will und auch die Millennials, die ich mit linearem Fernsehen nicht oder kaum noch erwische, weil sie zu spät nach Hause kommen, Video on Demand und Mediatheken nutzen, muss ich mir Gedanken darüber machen, wie ich sie auf digitalen Kanälen erreiche – auf ihren Smartphones, auf ihren Laptops. Wir haben in unserer Studie die TV-Nutzung zwar nicht gemessen und sicher unterschätzt man die eigene Sehdauer gerne etwas: Aber wenn 39 Prozent der befragten Millennials sagen, dass sie weniger als sechs Stunden pro Woche fernsehen, ist klar: TV ist für sie nicht mehr der First Screen. Mehr als ein Drittel sagen, dass sie Smartphone und Laptop pro Woche über 20 Stunden nutzen. Beim Fernseher sind gerade mal noch 18 Prozent. Das heißt auch, dass wir Werbebotschaften anderes verpacken müssen, weil der meistgenutzte Bildschirm sehr viel kleiner geworden ist.

jugendvonheute Marketing für Millennials – spannend aber schwierig?
René Lamsfuß Leichter wird es nicht. Aber es ist auch eine große Chance. Dank der digitalen Medien können wir als Werber auch mit Produkten des täglichen Bedarfs junge Konsumenten viel persönlicher ansprechen. Tausend verschiedene TV-Spots kann man nicht drehen. Digital aber kann man ohne allzu großen Aufwand auf unterschiedlichen Kanälen mit den verschiedensten Elementen spielen, um zu einer Art One-to-One-Kommunikation zu kommen. Das funktioniert aber nur, wenn man der Zielgruppe glaubwürdig vermitteln kann, dass man sich wirklich auf sie einlässt.

René Lamsfuß ist Chief Research Officer von VivaKi und Managing Director der Düsseldorfer Beratungsagentur Nihah (beide gehören zur ZenithOptimedia Gruppe). Die Aufbereitung der internationalen Ergebnisse der Millennial-Studie „The Pursuit of Happiness“ finden Sie hier, Ergebnisse für Deutschland unter diesem Link.

Is was, Doc?

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt, Ihren Apotheker oder die Suchmaschine Ihres Vertrauens: Mehr als Hälfte der 18- bis 34-Jährigen sucht vor einem Arztbesuch online nach medizinischen Informationen. Damit sind die Symptom-Googler unter den Millennials deutlich häufiger vertreten als in der Gesamtbevölkerung. Nicht das einzige Problem, das Mediziner mit jungen Patienten haben.

Heineken sucht moderate Trinker

In seiner neuen weltweiten Kampagne sucht der Bier-Riese „moderate Trinker“. Genauer: Er lässt junge Frauen singend nach dem „Richtigen“ suchen, also dem Gelegenheits-, Gering- und Genusstrinker. Ob soviel Political Correctness bei der jungen Zielgruppe ankommt? Nun ja … mit Bonnie Tylers „I need a Hero“ geht da vielleicht was.

Dynamischste Marken aus Sicht der Millennials

Samsung deutlich vor Apple

Die größte Überraschung der Landor Global Agile Brand Study: Samsung rangiert bei den dynamischsten Marken deutlich vor Apple (Platz 6). Die Markenberatung Landor hatte auf Basis umfangreicher Sekundärforschung zunächst eine Auswahl der dynamischsten Marken ermittelt. Anschließend wurden Markenstärke, -image und -agilität im Rahmen einer dreiwöchigen Online-Community mit Millennials aus den USA, Großbritannien, China und Frankreich im Rahmen unterschiedlicher Aufgabenstellungen bewertet.

Quelle: Landor Global Agile Brand Study. Beweglichste Marken weltweit aus Sicht der Millennials. Ohne Prozentangaben.

Der Kampf um die Bildschirme

Surfen beim Fernsehen? Was die Parallelnutzung von TV und Internet angeht, leben die Deutschen hinterm Mond: Hierzulande nutzt nur jeder Vierte neben dem Fernsehen einen „Second Screen“ – europaweit sind es immerhin 44 Prozent und auf den anderen Kontinenten bereits über 60 Prozent. Auf Zweit- und Dritt-Bildschirme gucken vor allem die jungen Zuschauer.

Karriere? Nein Danke!

Nach jahrelangen Diskussionen kommt 2016 endlich die Frauenquote (zumindest für Aufsichtsratspositionen in Großunternehmen). Und jetzt das: Die jungen deutschen Frauen zieht es gar nicht in Führungspositionen, jedenfalls nicht massenweise: Nur 29 Prozent der weiblichen Millenials, also der unter 30-Jährigen, wünschen sich eine Top-Position. So ein Ergebnis des Deloitte Millenial Survey.

2020 wird alles besser…

…davon sind die sogenannten Millenials, also die 15- bis 24-Jährigen, überzeugt. 6800 von ihnen ließ Viacom für die Studie „MTV Knowing Youth: Vision 2020“ befragen – in 32 Ländern. 84 Prozent der Millenials sind der Ansicht, dass ihre Generation das Zeug dazu hat, die Welt zu verändern – natürlich zum Besseren! Die Gesellschaft wird 2020, glauben die Jungen, fairer und gleicher sein, die Wirtschaft stärker und stabiler. Es wird weniger Müll und mehr erneuerbare Energien geben. Die Welt wird friedlicher und toleranter. Kurzum: Die Jugend ist optimistisch wie eh und je. Hoffentlich bleibt sie es und hoffentlich behält damit recht! Es wäre doch zu blöd, wenn wir in 30 Jahren von den Teens und Twens von heute den Satz hören müssten: „Früher war alles besser.“ Denn der wird die Jugendlichen im Jahr 2044 genauso nerven wie die Generationen vor ihnen.

Frauen und Technik 3.0

Wenn der Steuer-Shitstorm über Alice Schwarzer endlich hinweg gebraust ist, hätten wir für die Frauenrechtlerin ein weiteres Aufreger-Thema parat: Frauen und Technik. Denn der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist bei diesem Thema sogar in der Generation der 18- bis 30-Jährigen eklatant: Obwohl genauso viele junge deutsche Frauen wie Männer ein Smartphone oder einen Laptop besitzen (jeweils rund drei Viertel) und ebenso viele Stunden pro Tag (jeweils fünf) online verbringen, befinden 85 Prozent der Männer ihre Technologie-Kenntnisse für exzellent oder gut. Bei den Frauen sind es dagegen nur 65 Prozent.