Radio

Freizeit = Mediennutzungszeit

Die Mediennutzung dominiert die Freizeit der Bundesbürger – vor allem der jungen – immer stärker. In Familien sind sieben der zehn häufigsten Freizeitaktivitäten medial geprägt. Bei Jugendlichen sind es acht und bei jungen Erwachsenen sogar neun von zehn regelmäßigen Freizeitbeschäftigungen. Dies sind Ergebnisse des Freizeit-Monitors der Stiftung für Zukunftsfragen.

Streaming ist in, Radio nicht out

Streaming ist in,
Radio nicht out

Über die Trends der Audionutzung – in Bayern und im Rest der Republik – sprachen wir mit Oliver Ecke*. Er verantwortet die Medienforschung bei Kantar TNS (vormals TNS Infratest) und damit auch die Funkanalyse Bayern** der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM).

jugendvonheute Was ist aus Ihrer Sicht der größte Unterschied zwischen jüngeren und älteren Radiohörern?
Oliver Ecke Bei den jungen Radio-Zielgruppen muss man eigentlich schon von Audio-Zielgruppen sprechen. Hier spielen Streaming-Dienste oder auch Konserven, die sich die Leute auf ihre Devices runterladen, schon eine erhebliche Rolle.

jugendvonheute Junge Nutzer von Musik-Streaming-Diensten widmen diesen schon mehr Zeit als dem Radio. Trotzdem scheint Radio bei Teenagern und Twens in Bayern noch nicht „out“ zu sein, oder?
Oliver Ecke Nein. Der Unterschied zwischen jüngeren und älteren Radiohörern ist hier gar nicht so groß. Die Tagesreichweite bei den 14- bis 29-Jährigen liegt immer noch bei 79 Prozent – im Unterschied zur Gesamtbevölkerung mit 82 Prozent. Die Lücke wird dann eben durch Streaming-Dienste geschlossen.

jugendvonheute Was empfehlen Sie Werbungtreibenden, die junge Zielgruppen weiterhin über Radio erreichen wollen?
Oliver Ecke Morgens schalten! Der Morgen gehört auch bei Jüngeren dem Radio, gestreamt wird eher abends. Außerdem ist der morgens zuerst gehörte Sender in Bayern überdurchschnittlich häufig ein lokales Programm. Was auch damit zu tun hat, dass es im Freistaat an den größeren Standorten mindestens ein auf jüngere Hörer hin formatiertes Radioangebot gibt. Ohne lokales Jugendradio käme das Medium in der Zielgruppe vermutlich nicht auf 183 Minuten Hördauer pro Tag – also auf mehr drei Stunden.

jugendvonheute Sind die Besonderheiten der bayerische Radiolandschaft auch der Grund dafür, dass Radio in der bundesweiten Media-Analyse bei 14- bis 29-Jährigen deutlich schlechter abschneidet – zehn Prozentpunkte weniger Tagesreichweite – als in der Funkanalyse Bayern?
Oliver Ecke Das ist so. Radio Galaxy zum Beispiel erreicht dort, wo der Sender per UKW empfangbar ist, täglich ein Drittel der 14- bis 29-Jährigen. Und insgesamt haben die bayerischen Lokalprogramme bei Twens ihre höchste Tagesreichweite. Da ist es nur logisch, dass auch laut Media-Analyse junge Zielgruppen in Bayern mehr Radio hören als im Bundesschnitt.

jugendvonheute Was sollten Radiomacher Ihrer Meinung nach tun, um für junge Zielgruppen attraktiv zu bleiben und im Audio-Markt möglichst wenig Anteile zu verlieren?
Oliver Ecke Die Strategie, die vor vielen Jahren mal „in“ war, dass man möglichst wenig spricht, ganz viel Musik macht und versucht, den Musikgeschmack der Jugend zu treffen, hat ausgedient. Dazu braucht man heute keinen Radiosender mehr; jeder kann sich das für ihn ideale Musikprogramm selbst zusammenstellen. Radio für junge Zielgruppen muss ein Gesamtpaket sein, es muss am Leben dran sein, die wichtigen Events der Region covern. Es muss mehr bieten als Musik: Die Verpackung muss stimmen, und der Sender muss das Lebensgefühl wiedergeben – und das kann nicht nur über Musik funktionieren.

* Dr. Oliver Ecke ist Managing Director bei Kantar TNS (vormals TNS Infratest). In dieser Position verantwortet er die Medienforschung des Instituts und präsentiert – fast schon traditionell – jedes Jahr auf den Lokalrundfunktagen in Nürnberg wichtige Ergebnisse der Funkanalyse Bayern.

** Funkanalyse Bayern wird seit 1989 jährlich im Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und der privaten Rundfunkanbieter in Bayern durchgeführt. Ergänzend zur Media-Analyse (ma Radio) liefert sie Reichweitendaten für die bayerischen Hörfunk- und Lokalfernsehprogramme. Darüber hinaus werden Informationen zur qualitativen Beurteilung der Programme sowie Daten zur Entwicklung des Internets erhoben. Die Untersuchung findet im Frühjahr statt und basiert hauptsächlich auf computergestützten Telefoninterviews (CATI-Methode). Zur Hörfunknutzung wurden 2017 insgesamt rund 23.200 Personen ab 14 Jahren befragt, zur Fernsehnutzung weitere 16.800 Menschen.

Junge Zielgruppe hört drei Stunden Radio UND streamt

Klassisches Radio ist bei 14- bis 29-Jährigen nicht out. Mehr als drei Stunden hören Teenager und Twens täglich Radio. Dieses Ergebnis der Funkanalyse Bayern wurde heute auf den Lokalrundfunktagen 2017 in Nürnberg veröffentlicht. Grundsätzlich gelte für junge Hörer, so Oliver Ecke von Kantar TNS: „Der Morgen gehört dem Radio – abends wird gestreamt“. 

Viraler Hit für die Generation Kopf unten

Ein Clip von N-JOY gegen die Handynutzung am Steuer wird zum viralen Hit – und bewirkt vermutlich mehr als alle Ermahnungen, sich beim Autofahren nicht durchs Smartphone ablenken zu lassen. Anfang der Woche hatte das junge Radioprogramm des NDR die Aktion gestartet, um auf die Gefahren der Handy-Nutzung am Steuer aufmerksam zu machen. Seitdem wurde das emotionale Video bei Facebook fast 2,2 Millionen Mal aufgerufen, rund 32.000 Mal geteilt und tausende Male kommentiert.

Mit dem Radio erwachsen werden

Jeder weiß, welche Musik er als Teenager gehört hat. Das erste Konzert hinterlässt eine ebenso bleibende Erinnerung wie die erste Platte oder CD, die man selbst gekauft hat ­– manche Dinge ändern sich eben nie (selbst Vinyl liegt ja wieder im Trend). Die Autoren der soeben erschienenen JIM 2015 Jugend, Information, (Multi-)Media formulieren das so: „Musik spielt in der Zeit des Erwachsenwerdens eine zentrale Rolle. Analog dazu ist auch das Radio ein klassisches Musikmedium von hoher Alltagsrelevanz.“ Für etwa die Hälfte der Zwölf- bis 19-Jährigen ist es nach eigener Aussage (sehr) wichtig, Radio zu hören.

Höre und staune

Im Radio spielt nicht nur die Musik fürs Herz, sondern da gibt´s auch noch Futter fürs Hirn – nämlich Information: 27 Prozent der jungen Erwachsenen beziehen ihre Nachrichten vorzugsweise aus dem Radio. Damit ist Hörfunk die wichtigste News-Quelle der 18- bis 35-Jährigen – deutlich vor Fernsehen (19 Prozent) und Nachrichten-Websites (18 Prozent). Schwer aufgeholt haben laut einer Studie der Zeitschrift Neon die Nachrichten-Apps: Die nutzte 2012 gerade mal ein Prozent aller Befragten, heute sind es bereits 16 Prozent. Auch für den Musikgenuss ist laut Neon-Studie in erster Linie Radio zuständig.