Ob montags bei Tengelmann, dienstags bei Edeka oder mittwochs bei Real… Kinder beeinflussen die Kaufentscheidungen ihrer Eltern. Und die unterschätzen die Einkaufsmacht der lieben Kleinen ganz gewaltig. Nicht nur die klassische „Quengelware“ landet auf Initiative der Kinder im Einkaufswagen – der Nachwuchs entscheidet zunehmend auch beim Handy-, Computer- und sogar beim Autokauf.
„Kinder sind die Käufer von morgen“ ist einer der Leitsätze von Marketiers. So weit, so falsch: Kinder sind die Käufer von heute – und das nicht nur, weil ihr Taschengeld sich auf Milliarden summiert, sondern vor allem auch, weil sie die Kaufentscheidungen ihrer Eltern (mit)bestimmen. Vielleicht mehr als den so genannten „Erziehungsberechtigten“ lieb ist, sicher aber stärker als ihnen bewusst ist.
Tatort Supermarkt
Freitag, 16 Uhr 20. Ein Supermarkt in der Münchner Maxvorstadt. Cerealien-Regal. Eine Mutter greift nach einer Packung. „Nein, Mami, DIE da, bitte!“, sagt die vierjährige Greta. Die Mutter hält in der Bewegung inne, nimmt dann eine andere Müsli-Packung aus dem Regal. An der Kasse erinnert sich die Mutter beim Blick in den Einkaufswagen zwar, dass Greta sich Gummibärchen gewünscht und auch bekommen hat. Dass die Kleine auch beim Müsli (und bei Wurst) ihre Wünsche durchgesetzt hat, weiß die Mutter knapp fünf Minuten nach der Szene vorm Regal schon nicht mehr. Soweit der Einkaufsalltag in Deutschland 2013. Die größte wissenschaftliche Studie zum Thema allerdings stammt aus dem Jahre 2009 und aus Österreich. Forscher der Uni Wien haben 178 Kinder-Eltern-Paare verdeckt beim Einkauf beobachtet und anschließend interviewt.
Das erstaunliche Ergebnis: Eltern haben keine Ahnung, wie oft und wie stark ihre Kinder (zwischen 3 und 14 Jahren) ihre Kaufentscheidungen beeinflussen. Bei etwa der Hälfte der Produkte, die auf Initiative der Kinder im Einkaufswagen landete, war den Eltern gar nicht bewusst, dass der Nachwuchs sie zum Kauf animiert hatte. Insgesamt äußerten die 178 Kinder im Supermarkt 424 Wünsche, von denen fast die Hälfte (219) erfüllt wurden.
Der Begriff „Quengelware“ ist dabei irreführend: Mit Gequengel und Genöle haben Kinder, so die Wiener Forscher, nur eine 20prozentige Chance, zu bekommen, was sie sich wünschen. Lieb gucken und höflich fragen – „Papi, kann ich BITTE die Schokolade haben?“ – führte in dagegen mehr 71 Prozent der Fälle zum Ziel und damit zum Kauf.
Kinder als Technikratgeber
Doch Kinder sind nicht nur im Supermarkt eine Einkaufsmacht. Mehr als die Hälfte der 12- bis 19-Jährigen beispielsweise hilft Eltern beim Handy-Kauf. 56 Prozent der Mädchen und 61 Prozent der Jungs werden bei der Entscheidung für ein Mobiltelefon-Modell von ihren Eltern um Rat gefragt. Jungs in dieser Altersgruppe fungieren stärker als Ratgeber, wenn es um den Kauf von Computern und Unterhaltungselektronik geht, Mädchen hingegen in den Bereichen Möbel/Einrichtung und Urlaub/Reisen (Bravo Trendmonitor, Juli 2013). Auch bei einer der größten Investitionsentscheidungen der Familie sind Kinder nicht außen vor: Über die Hälfte der 12- bis 19-Jährigen werden von den Eltern um ihre Meinung gebeten, wenn es um den Kauf eines Autos geht.
„Kinder sind in den Familien in allen wichtigen Entscheidungen, die ihre Freizeit- und Konsumwelt betreffen, stark eingebunden,“ sagt Ingo Höhn, Geschäftsleiter der Egmont MediaSolutions. Der Egmont Ehapa Verlag hat kürzlich die Groß-Studie KidsVA (MEHR) – more-410 herausgegeben. Außerdem steige, so Ingo Höhn „bei Kindern das Markenbewusstsein sowie die Bereitschaft der Eltern, deren Wünsche weitgehend zu erfüllen.“
Der Nachwuchs wird seine ohnehin schon große Einkaufsmacht künftig also weiter ausbauen. Ob die Eltern das merken werden, darf angesichts der österreichischen Studie und der alltäglichen Beobachtungen im Supermarkt allerdings bezweifelt werden.
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