Studie Jugend 2022 – die Reaktion auf Krieg und Krise

Junge Menschen in Europa fühlen sich stärker durch den Klimawandel bedroht als durch den Krieg in der Ukraine oder die Corona-Pandemie. Das zeigen die Ergebnisse der sechsten repräsentativen Jugendstudie „Junges Europa“ der TUI Stiftung, die heute in Berlin vorgestellt wurde.

Auch bei den derzeit drängendsten Problemen der EU hat für sie der Umwelt- und Klimaschutz gemeinsam mit Migration und Asyl oberste Priorität (je 30 Prozent), während Außenpolitik und Verteidigung (24 Prozent) an vierter Stelle folgen. Die Jugendstudie zeigt, wie junge Europäerinnen und Europäer zwischen einschneidenden Krisenerfahrungen – Krieg, Klimawandel, Corona – auf Pragmatismus und Kompromissbereitschaft setzen, um die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. 71 Prozent von ihnen stimmen der Aussage zu, dass es Kompromisse  brauche, um Erfolge beim Klimaschutz zu erzielen. Die Jugendlichen scheinen sich der Zielkonflikte in Klima- und Energiefragen sehr bewusst zu sein, die sich aus politischen Entscheidungen ergeben,“ kommentiert Thomas Ellerbeck, Vorsitzender der TUI Stiftung, die Ergebnisse: „Dabei begreifen 66 Prozent der Befragten Maßnahmen gegen den Klimawandel als Sicherung zukünftiger Freiheit. Auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine herrscht großer Realismus“, so Ellerbeck. Mehr als 60 Prozent der Befragten nehmen den Krieg als eine Zeitenwende war. Höhere Kosten für Benzin, Lebensmittel oder Energie stoßen bei jungen Europäern auf weniger Zustimmung als politische Entscheidungen, wie die Lieferung von Waffen oder Wirtschaftssanktionen.

Um die humanitäre Lage zu verbessern, zeigen junge Europäer eine hohe Bereitschaft für persönliches und staatliches Engagement. Dabei fällt auf, dass die Zustimmungswerte insbesondere dann geringer ausfallen, wenn mit den Maßnahmen persönliche Kosten verbunden sind. So würden zwei Drittel (68 Prozent) der Befragten Geflüchtete im eigenen Land aufnehmen. 54 Prozent von ihnen würden akzeptieren, dass ihr Land anderen Ländern Waffen liefert, um dort Kriegsverbrechen und Menschenrechtverletzungen zu stoppen. Dagegen fällt die Bereitschaft deutlich geringer aus, höhere Kosten für Benzin (35 Prozent der jungen Europäerinnen und Europäer stimmen zu, in Deutschland 45 Prozent), für Lebensmittel (35 Prozent Europa, 45 Prozent Deutschland) und für Wärme und Strom (34 Prozent Europa, 44 Prozent Deutschland) zu akzeptieren.

Zwar befürworten 61 Prozent der jungen Menschen in Europa Waffenlieferungen an die Ukraine, davon allerdings weniger als ein Drittel der Befragten (27 Prozent) „voll und ganz“. 34 Prozent unterstützen sie „eher“. Am stärksten ist die Zustimmung in Polen, wo 47 Prozent der jungen Menschen „voll und ganz“ hinter den Waffenlieferungen stehen. In Griechenland (14 Prozent „voll und ganz“) und Italien (19 Prozent) sind junge Menschen am skeptischsten.

Die Studienergebnisse zeigten eine Generation, so Thomas Ellerbeck,  „die realistisch in der Analyse ist sowie konstruktiv und pragmatisch bei der Frage, wie die Zukunft gestaltet werden kann.“ 

Der Krieg in der Ukraine wird als persönliche Bedrohung empfunden

Vor allem in Polen, Deutschland, Italien und Griechenland empfinden junge Menschen den Überfall Russlands auf die Ukraine als persönliche Bedrohung, am wenigsten ausgeprägt sind die Ängste auf der anderen Seine des Kanals in Großbritannien.

Obwohl durch den Krieg in der Ukraine die militärische Bedrohung in Europa im Jahr 2022 gestiegen ist, wird die EU nicht als militärische Allianz wahrgenommen. Vor fünf Jahren waren es 39 Prozent und in 2022 38 Prozent der Befragten, die angaben, dass der Begriff „militärisches Bündnis“ die EU am besten beschreibt. Für die Mehrheit (68 Prozent) ist es vor allem ein wirtschaftlicher Zusammenschluss. Auch an der Wahrnehmung der EU als eine Institution, die den Frieden zwischen den Staaten Europas sichert, ändert der Krieg in der Ukraine nur wenig: Im Jahr 2017 sagten 63 Prozent der befragten 16- bis 26-Jährigen, dass die EU dazu „absolut notwendig“ sei, im April 2022 waren es 62 Prozent.

23 Prozent der Befragten halten das aktuelle Verhältnis zwischen der EU und ihren Mitgliedsländern für „genau richtig“, 42 Prozent der jungen Europäer wünschen sich, dass die Verbindungen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU enger werden. Auch hier gibt es kaum Veränderungen zu den Ergebnissen in 2020. Während wir in Deutschland die geringsten Zustimmungswerte für die EU-Mitgliedschaft des eigenen Landes seit Start der Jugendstudie im Jahr 2017 messen, würden in Polen mit sieben Prozent so wenige junge Menschen wie noch nie für den Austritt ihres Landes aus der EU stimmen,“ sagt die Geschäftsführerin der TUI Stiftung, Elke Hlawatschek.

Über die Studie
Die 6. repräsentative Jugendstudie „Junges Europa“ der TUI Stiftung wurde am 07.07.2022 in Berlin vorgestellt. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov befragte dazu im April 2022 mehr als 6.000 Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen.