Dämpfer für den jugendlichen Optimismus

Von wegen Party: 52 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen halten die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für angemessen. 83 Prozent halten sie auch ein. Dies ist ein Ergebnis der heute veröffentlichten Jugendstudie 2020 der TUI Stiftung. Demnach ist noch eine deutliche Mehrheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen (62 Prozent) optimistisch, was ihre persönliche Situation angeht. Allerdings ist der Anteil derjenigen, die eine rosige Zukunft für sich sehen, innerhalb eines Jahres um 7 Prozentpunkte gesunken.

Die Akzeptanz für die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist unter jungen Deutschen sehr hoch. Das zeigt die Jugendstudie der TUI Stiftung, für die junge Menschen zwischen 16 und 26 Jahren vom Meinungsforschungsinstitut YouGov befragt wurden. Über die Hälfte (52 Prozent) von ihnen hält die Maßnahmen für angemessen. Nur ein Fünftel von ihnen hält sie für übertrieben (12 Prozent „eher übertrieben“ und sieben Prozent „übertrieben“), ein weiteres Fünftel für nicht ausreichend (18 Prozent „eher nicht ausreichend“ und fünf Prozent „nicht ausreichend“). Vor allem die befragten jungen Frauen halten die Maßnahmen für ungenügend (26 Prozent), während nur 18 Prozent der jungen Männer diese Einschätzung teilen). Der Ansicht, dass die Maßnahmen übertrieben sind, stimmen eher männliche (22 Prozent) als weibliche (15 Prozent) Befragte im Alter von 16 bis 26 Jahren zu.

Wer sich an die Maßnahmen hält, tut dies vor allem, um die Gesundheit seiner Mitmenschen zu schützen. 89 Prozent der jungen Befragten halten diesen Aspekt für wichtig. Den Schutz der eigenen Gesundheit (79 Prozent) oder Strafen bei Missachtung (61 Prozent) bewerten junge Deutsche als weniger wichtige persönliche Gründe. Der Schutz älterer Menschen dürfte hierbei eine besondere Rolle spielen. Sowohl die öffentliche Debatte wie auch die mediale Berichterstattung haben diesen Aspekt immer wieder hervorgehoben.

„Junge Deutsche unterstützen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Sie sind sich ihrer Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitmenschen bewusst. Und sie wünschen sich trotz Corona-Krise ein stärker integriertes Europa. Diese Einstellungen sind ermutigend. Wir benötigen sie, damit Europa die Krise nicht einfach nur bewältigt, sondern gestärkt aus ihr hervorgeht“, sagt Thomas Ellerbeck, Vorsitzender des Kuratoriums der TUI Stiftung.

Was der jungen Zielgruppe in der Pandemie besonders schwer fällt?

– Die Reduzierung der sozialen Kontakte, von der sich 42 Prozent der 16- bis 26-Jährigen betroffen fühlen, aber nur 52 Prozent der über 27-Jährigen.

– Einschränkungen in der Freizeit wie die Schließung von Sportveranstaltungen und Restaurants (40 Prozent) sowie der Verzicht auf Reisen und Urlaub (32 Prozent).

– 20 Prozent der jungen Zielgruppe sagen, dass sie sich mit Home Schooling oder Home Office schwer getan haben.

Mehrheit optimistisch für die eigene Zukunft

62 Prozent der Befragten und damit 7 Prozentpunkte weniger als im Jahr 2019 waren in der Befragung im Januar 2020 mit Blick auf ihre persönliche Situation eher optimistisch eingestellt. Auch wenn für 58 Prozent der Befragten sich die Aussichten im September 2020 nicht grundsätzlich verändert haben, so stimmen 26 Prozent von ihnen der Aussage zu, dass sich ihre generelle Zukunftseinschätzung seit der Corona-Pandemie verschlechtert haben.

Verstärkt Corona Generationen – und Geschlechterkonflikte?

Unmittelbar vor dem Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland war der Konflikt zwischen den Generationen für junge Deutsche stärker relevant als für andere junge Europäer. Nur vier Prozent nahmen „gar keinen Konflikt“ zwischen Jung und Alt wahr (dieser Wert lag im Januar 2020 in Spanien bei 21 Prozent, in Frankreich bei 15 Prozent). Als „ziemlicher“ oder „sehr starker“ Konflikt wurden die Auseinandersetzungen zwischen Jung und Alt von 54 Prozent der Befragten in Deutschland gesehen. Der Eindruck junger Menschen, dass die Politik eher die Interessen älterer Generationen verfolgte, hat sich signifikant verstärkt:  So sagten im September 48 Prozent der jungen Deutschen, dass die Politik eher die Interessen der älteren Generation berücksichtige (im Januar waren es 44 Prozent).

Der Politikwissenschaftler Marcus Spittler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hat die Jugendstudie wissenschaftlich begleitet. Er warnt davor, die Generationen gegeneinander auszuspielen: „Junge Erwachsene, die aktuell ihre wichtigsten Sozialisationserfahrungen machen, wird die Pandemie langfristig prägen.“

Trotz Corona ist Umwelt- und Klimaschutz wichtigstes EU-Thema

Die Corona-Pandemie hat Gesundheitspolitik in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Zu Beginn des Jahres hat YouGov im Rahmen der ersten Befragungsrunde die für junge Europäer wichtigsten politischen Themen der EU abgefragt. Wird nach sechs Monaten Corona-Pandemie die Gesundheitspolitik von jungen Menschen als das wichtigste politische Thema der EU gesehen? Nein. Zwar hat sie bei jungen Deutschen seit Anfang des Jahres leicht hinzugewonnen (von 16 Prozent im Januar auf 18 Prozent im September). Doch an den grundlegenden Prioritäten hat Corona seit Beginn des Jahres nur wenig Veränderung bewirkt: Auch im September halten die 16- bis 26-Jährigen den Umwelt- und Klimaschutz für das wichtigste politische Thema der EU (55 Prozent im Januar, 51 Prozent im September), vor Migration und Asyl (45 Prozent zu Beginn des Jahres, 41 Prozent im September).

Die Geschäftsführerin der TUI Stiftung, Elke Hlawatschek, kommentiert: „Junge Menschen sind offenbar in dieser Ausnahmesituation solidarischer als die öffentliche Debatte das derzeit widerspiegelt. Die Bilder von den Corona-Partys finden keine Entsprechung in den Zahlen. Wir sollten den Beitrag der jungen Menschen zur Bekämpfung der Pandemie anerkennen und wertschätzen. Es stellt sich die Frage, ob sich Erwachsene nicht mit den Jungen in der Generationenfrage ihrer Zeit – dem Schutz von Klima und Umwelt – stärker solidarisieren sollten, um Brücken zu bauen.“

Die Zahlen bestätigen einen langfristigen Trend, wie er sich in den Jugendstudien der TUI Stiftung seit 2017 zeigt: den kontinuierlichen Aufstieg des Thema Umwelt- und Klimaschutz als wichtigstes politisches Problem der EU für junge Europäer. Auch in den anderen befragten europäischen Ländern beherrschte das Thema die europäische Agenda. Seit 2019 verzeichnet es starke Zuwächse: in Großbritannien von 32 Prozent in 2019 auf 51 Prozent in 2020, in Frankreich von 34 Prozent auf 46 Prozent und in Polen von 19 Prozent auf 46 Prozent.

Über die Studie

Um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Einstellungen der jungen Deutschen zu messen, wurden vom 07.09.2020 bis zum 15.09.2020 in Deutschland 1.011 junge Menschen befragt. Eine erste Befragung hatte Anfang des Jahres stattgefunden. Die TUI Stiftung führt die Studie „Junges Europa“ seit 2017 durch, um die Lebenswelt, Identität und politischen Einstellungen junger Menschen in Europa besser verstehen zu können.

Im Januar wurden rund 6.000 junge Menschen in den folgenden Ländern befragt: Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, Polen. Auf der Webseite der TUI Stiftung sind alle Ergebnisse aus der Januarbefragung veröffentlicht. In der vorliegenden Pressemitteilung sowie im Bericht unter dem Titel „Junges Deutschland in Zeiten von Corona“ werden sowohl die aktuellen Zahlen aus der Septemberbefragung wie auch relevante Zahlen aus der Januarbefragung zusammengefasst. Ausgewählte europapolitische Fragen vom Januar wurden im September in die Befragung aufgenommen, um Vergleiche zu ermöglichen.

Download der Studie: Junges Deutschland in Zeiten von Corona
Download der Studie: Junges Europa 2020 (März 2020)