Jugendliche sind ernsthafter und besorgter als die Generation vor ihnen. Das betrifft den Umgang mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie und mehr noch die Bedrohung durch die globale Klimakrise. Der Optimismus der Jugendlichen ist gedämpft – je niedriger der Bildungsgrad, desto ausgeprägter der Pessimismus. Dies sind Ergebnisse der Sinus-Jugendstudie 2020 „Wie ticken Jugendliche?“.
Jugend in der Corona-Krise: genervt von den Einschränkungen, aber mitfühlend und verantwortungsbewusst
Solidarität mit anderen spielt für die 14- bis 17-Jährigen in der Corona-Krise eine zentrale Rolle. Denn die befragten Jugendlichen haben zwar wenig Angst davor, sich selbst mit dem Virus zu infizieren, befürchten aber, andere Menschen anzustecken (Ältere, Großeltern etc.). Die meisten sehen es als ihre soziale und gesundheitliche Verantwortung, die Krise ernst zu nehmen und sich um ihre Mitmenschen zu sorgen. Die Einschränkungen der persönlichen Freiheit und das reduzierte Freizeitangebot nerven zwar viele Jugendliche, sie erkennen jedoch die Notwendigkeit, sich damit zu arrangieren. Die subjektive Betroffenheit der Jugendlichen von der Corona-Krise hält sich in Grenzen. Die meisten schätzen die Auswirkungen der Pandemie auf ihr persönliches Leben bisher als nicht sonderlich schwerwiegend ein.
Junge Menschen suchen nach einem positiven Arbeitsumfeld
Die Berufswünsche der befragten Jugendlichen sind eher bodenständig und realistisch. Freude an der Arbeit, Selbstverwirklichung, ein abwechslungsreicher Arbeitsalltag sowie ein positives Arbeitsumfeld haben bei jungen Menschen hohe Priorität. Sie streben nach einer guten Work-Life-Balance mit ausreichend Zeit für ihren Freundeskreis und ihre Familie. Die ehemals so jugendtypische hedonistische Mentalität nimmt weiter ab: Feiern gehen, Fun und Action verlieren an Bedeutung. Die Ära generationsprägender Jugend(sub)kulturen scheint endgültig vorbei – wenngleich es immer noch Nischenszenen gibt. Die Werte Leistung und Selbstverantwortung stehen bei den Jugendlichen hoch im Kurs, auch wenn gleichzeitig die Skepsis gegenüber dem neoliberalen Wettbewerbsparadigma zugenommen hat. Die Folge ist, dass Zeit für sich selbst haben oder „chillen“, wie es Jugendliche bezeichnen, immer wichtiger werden.
Zu wenig politische Repräsentation
Viele Teenager fühlen sich von der Politik weder gehört noch ernst genommen. Sie beklagen die fehlende Teilhabe der jungen Generation an politischen Entscheidungsprozessen und die mangelnde Repräsentation im politischen Raum. Aus Jugendsicht wird Politik in erster Linie von „alten weißen Männern“ dominiert und geprägt. Pauschales Politikerbashing ist dennoch selten. Politische Akteure und Institutionen werden differenziert beurteilt. Viele Jugendliche zeigen Verständnis und Empathie für Politiker und Politikerinnen, die einen „harten, stressigen Job“ machen.
Die Lösung der Klimakrise als zentrale Frage der Generationengerechtigkeit
Längst haben Jugendliche die Lösung der Klimakrise als zentrale Frage der Generationengerechtigkeit für sich identifiziert und bringen in den Demonstrationen ihre Ohnmacht und Empörung („Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“) zum Ausdruck. Der jugendliche Zeitgeist ist grün und bewahrend (das heißt konservativ im ursprünglichen Sinne). Die Klimakrise wird aus jugendlicher Perspektive von den Verantwortlichen (Politik, Wirtschaft, ältere Generation) nicht ernst genommen; mögliche Problemlösungen werden verschleppt oder sogar hintertrieben.
Die „bürgerliche Normalbiografie“ ist das Leitmotiv vieler Teenager
Viele Befragte beklagen eine „Jeder-für-sich“-Mentalität und den fehlenden Zusammenhalt in der Gesellschaft. Sie haben Angst vor zunehmender Polarisierung, Hass und Aggression – die insbesondere bildungsferne Jugendliche in ihren Lebenswelten oft erleben. In der Mehrzahl der jugendlichen Lebenswelten sind heute gute, abgesicherte Lebensverhältnisse wichtiger als Status, Erfolg und Aufstieg. Ein dominanter Zukunftswunsch vieler Jugendlicher ist es, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen, materielle Wünsche und Ziele werden relativiert.
Jugendliche finden die Schule „ganz okay“, sehen aber kaum Chancen zur Mitgestaltung
Die Schule ist für die Befragten kein Ort, den sie am liebsten meiden möchten; ein Wohlfühlort ist die Schule aber auch nicht. Im Allgemeinen wird deutlich, dass sich Jugendliche in der Schule vor allem dann wohlfühlen, wenn sie sozial gut eingebunden sind, gute Beziehungen zu den Lehrkräften haben und sich am Unterricht aktiv beteiligen können. Unwohl fühlen sich Schülerinnen und Schüler in erster Linie dann, wenn sie Fehler machen oder der Leistungsdruck steigt. In Sachen Mitbestimmung stellen die Jugendlichen ihren Schulen ein schlechtes Zeugnis aus. Möglichkeiten für Mitbestimmung in der Schule werden kaum gesehen. Schule wird als statisches und kaum gestaltbares System erlebt.
Über die Studie
Die Sinus-Jugendstudie „Wie ticken Jugendliche?“ untersucht alle vier Jahre die Lebenswelten 14- bis 17-jähriger Teenager in Deutschland. Die Fragestellungen der Jugendstudie 2020 waren: Welche Themen sind der Jugendgeneration wichtig? Wie blicken die jungen Menschen in die Zukunft? Und nicht zuletzt: Wie kommen die Jugendlichen in der Ausnahmesituation der Corona-Krise zurecht? Die Studie steht bei der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb kostenlos als E-Publikation zur Verfügung: www.bpb.de/311857.
„Wie ticken Jugendliche?“ ist eine im Auftrag von der Bundeszentrale für politische Bildung, der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, der BARMER, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend, dem Deutschen Fußball-Bund, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, der Deutschen Sportjugend und der DFL-Stiftung durchgeführte Studie des SINUS-Instituts, Heidelberg/Berlin.
In der Studie „Wie ticken Jugendliche 2016“ war eines der zentralen Themen die Verbraucher-Kompetenz der Teenager:
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