Oh Shit…Was tun, wenn der „Storm“ wütet?

„Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“ – so definiert der „Duden“ den Begriff Shitstorm. Dank Facebook, Twitter und Co. kann heute jeder zum (Shit-)Sturm blasen. Mal ist der Auslöser ein Phantom-Tor, mal eine Scheibe Wurst, mal eine unbedachte Äußerung. Gerade trifft der üble Gegenwind Bayer-Leverkusen-Stürmer Stefan Kießling wegen seiner Reaktion auf das Phantom-Tor (heftige Beleidigungen inklusive). Letztes Jahr empörten sich Veganer massiv und medienwirksam, als Basketball-Star Dirk Nowitzki in einem ING-DiBa-Spot beim Metzger eine Scheibe Wurst aß. Und nach Angela Merkels „Das Internet ist für uns alle …“ wurde #Neuland zum hämischen Top-Twitter-Thema.

Während die Kanzlerin den Shitstorm aussaß, zeigte sich Kicker Kießling bei Facebook ebenso reumütig wie Pasta-Produzent Guido Barilla kürzlich nach seinen schwulenfeindlichen Äußerungen. Die ING-DiBa dagegen bot den Kritikern zunächst ein (reichlich genutztes) Forum, beendete dann aber die Facebook-Debatte. Bei der Bank konnte man es sich leisten, die Diskussion „abzuwürgen“ – schließlich waren nur ein Werbespot und Fleischkonsum kritisiert worden, nicht aber eines der Finanzprodukte. Vodafone und DHL taten sich bei ihren produkt- und unternehmenskritischen Shitstürmen im letzten Jahr dagegen deutlich schwerer.

Nicht jeder negative Kommentar ist ein Shitstorm, mehrere negative Kommentare sind oft auch nicht mehr als ein (Shit-)Sturm im Wasserglas. Ein wichtiges Indiz, ob leichter Gegenwind in sozialen Medien sich zum Sturm ausweitet, ist die Präsenz in anderen Medien. Die Schweizer Social-Media-Experten Barbara Schwede und Daniel Graf haben dafür, in Anlehnung an die Beaufort-Skala zur Windgeschwindigkeit, eine Shitstorm-Skala entwickelt.

„Erst wenn klassische Medien über das Thema berichten, kommt die Reichweite“, betonte auch André Krauselmann, Pressesprecher Social Media, Investor Relations und Commercial Banking der ING-DiBa, kürzlich bei den Medientagen München. Bei der Diskussion zum Thema rieten die Experten zum genauen Beobachten, zum Einsatz von Monitoring-Systemen und dazu, jeden Shitstorm individuell zu betrachten: Regt sich nur eine kleine, engagierte Gruppe auf, oder ist die Kritik umfassender? Wie berechtigt ist die Empörung? Gibt es echte Mängel am Produkt oder der Dienstleistung des Unternehmens? Die nämlich lassen sich nicht mit Kommunikations-Kosmetik, sondern nur mit ebenso echten Verbesserungen beheben.

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©Shitstorm-Skala von Daniel Graf und Barbara Schwede

 

Doch ganz gleich, mit welcher Windgeschwindigkeit man getroffen wird: Wenn der Sturm erst einmal da ist, sollte man zunächst Ruhe bewahren, die Schäden abschätzen, eine Strategie und die entsprechenden Gegenmaßnahmen entwickeln – nicht aber in Deckung gehen. Zwar ließ sich mancher Shitstorm der Vergangenheit nach Merkel’schem Vorbild aussitzen. Dennoch empfahl Heike Gallery, Director Community Management von gutefrage.net, auf den Münchner Medientagen: „Treten Sie in Dialog.“ Denn: „Der Shitstorm ebbt ab. Die Menschen vergessen. Das Internet aber vergisst nichts!“ So kann auch ein Sturm, dessen Schäden eigentlich längst beseitigt wurden, in den Suchmaschinen immer wieder aufbrausen. Wer dieser Tage „Stefan Kießling“ googelt, findet zuerst die Shitstorm-Meldungen. Googelt man dagegen „ING-DiBa“, „DHL“ oder „Vodafone“, gibt es – wenn man nicht gezielter sucht – zumindest auf den ersten Ergebnisseiten keine Shitstorm-Hinweise mehr. Ein Zeichen dafür, dass die Unternehmen der Kritik erfolgreich positiv besetzten Content entgegensetzen konnten.

Letztlich ist kein Unternehmen gegen einen Shitstorm gefeit: Aber wenn Produkte, Services und Kommunikation bei Windstille stimmen, braut sich seltener ein Sturm zusammen.

Mehr zum Thema bietet ein 38-seitiges Whitepaper von Sebastian Deptalla und Heike Gallery mit dem Titel „Nach dem Shitstorm ist vor dem Shitstorm“, das bei gutefrage.net zum Gratis-Download zur Verfügung steht.