In der Löw(en)grube wirft Ihnen Elke Löw kuriose Studien, Marketing-Peinlichkeiten und fragwürdige Trends zum Fraß vor. Heute: Das Internet macht dumm und depressiv.
Das Internet ist, mit Verlaub, eine arme Sau, auf die jeder eindreschen darf, der gerade kein anderes Opfer findet. „Jugendliche im Teufelskreis aus Internetsucht und Einsamkeit“, „Computerspiele machen einsam“, „Jugendliche bindungsunfähig“, so lauteten die Schlagzeilen, zu denen sich diverse Zeitungen und Sender in der letzten Woche hinreißen ließen.
Unter Kulturpessimisten, Volkspädagogen, Feuilletonisten und Mahnern aller Art gehört es zum guten Ton, das altvertraute Lied von der „Jugend von heute“ anzustimmen und wie fern aller Herzens- und Geistesbildung und oberflächlich sie doch sei. Vor allem im Vergleich zu früher, als es noch nicht „diese Handys“ und „dieses Internet“ gab. Das Zeug ist schuld an der sittlichen und geistigen Verwahrlosung.
Das Internet macht wahlweise einsam, krank, dick oder dumm, berichten sinnigerweise vor allem Onlinemedien immer wieder gern. Und gottlob gibt es jede Menge Studien, auf die sie sich berufen können. Bei manchen Studien und den entsprechenden Medienberichten ist es allerdings wie bei Versicherungsverträgen: Es empfiehlt sich, auch das Kleingedruckte zu lesen.
So wird gerne berichtet, dass das Internet krank macht. Es gibt sogar schon einen extra Fachterminus für eine spezielle Internet-Krankheit, er heißt Cyberchondrie. Klingt gut, ist aber nichts anders als die gute alte Hypochondrie – nur dass ein ernstzunehmender Hypochonder früher dicke Bücher wälzen musste, während er heute nach nur zwei Klicks weiß, dass sein „Ziehen im Hals“ mindestens eine Schilddrüsenentzündung sein muss – wenn nicht Schlimmeres. Cyberchondrie aber ist dank mehrerer Studien inzwischen zu wissenschaftlichen Ehren gelangt.
Das Netz ist aber nicht nur schuld an eingebildeten Leiden, sondern auch an echten, wie zum Beispiel Depression. Der typische depressive User verbringt seine Zeit in Online-Communities, auf Sex- und Spieleseiten, weiß eine gern zitierte englische Studie zu berichten. Das große Fragezeichen: Die Forscher streiten noch über Ursache und Wirkung – also darüber ob Depressionen exzessiven Internetkonsum begünstigen oder ob exzessiver Internetkonsum Depressionen befördert. Aber wer will schon so pingelig sein?
Wenn schon nicht depressiv, so doch „isoliert, unkommunikativ und gereizt“ werden junge User übrigens, wenn sie allzu viel Zeit (über sechs Stunden täglich) mit Onlinespielen und auf Sexportalen verbringen. Dieses Pensum, so eine Studie von Mainzer Forschern schaffen allerdings nur 3,4 Prozent aller Jugendlichen. Also eher wenige. Zumindest nicht so viele, wie die reißerische Überschrift „Internet macht Jugendliche einsam“ vermuten lässt.
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