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„Langfristige Planung weicht kurzfristigem Pragmatismus“

Interview mit dem Allgäuer Jugendforscher Simon Schnetzer über die Frage, wie die junge Zielgruppe mit der Corona-Krise umgeht, und welche Implikationen dies künftig haben wird – nicht nur für die Jugendlichen selbst, sondern auch für Unternehmen, die sie als Mitarbeiter gewinnen möchten. Foto: ©piomars

Sind die Jugendlichen aus Ihrer Sicht in der Corona-Krise pessimistischer oder ängstlicher geworden, was ihre Zukunft angeht, oder gehen sie mit den aktuellen Herausforderungen eher pragmatisch um?
Simon Schnetzer Das hängt vom Zeitpunkt ab, zu dem man Jugendliche dazu befragt. Anfangs war die Verunsicherung groß. Es war aber auch die Hoffnung hoch, dass es bald wieder zurück in die gewohnte Normalität geht. Im Laufe der Monate hat sich einiges verändert: Eltern haben den Job verloren, Urlaube mussten abgesagt werden, viele haben ihren Nebenjob verloren und es mehren sich die Zeichen, dass es kein Zurück zur alten Normalität gibt. Die Perspektive einer langfristigen Planung weicht einem kurzfristigen Pragmatismus: Was ist das Beste, was ich spontan aus der Situation machen kann. Pragmatisch zu sein bedeutet für viele, wieder bei den Eltern einzuziehen, um Geld zu sparen, und weiter in Bildung zu investieren, weil der Berufseinstieg gerade extrem schwierig ist.

Medien nehmen die junge Zielgruppe im Moment vor allem als Schüler im Homeschooling oder Studenten im digitalen Studium wahr. Dabei hat sich das private Leben der Jugendlichen stärker verändert als das der meisten Erwachsenen. Worin sehen Jugendliche für sich persönlich die größten Veränderungen und was vermissen sie am meisten?
Simon Schnetzer Die zwei größten Veränderung für Jugendliche sind, dass ihnen durch die Pandemie das Gefühl der Planungssicherheit geraubt wurde und das Bewusstsein, wie wichtig das Real Life-Miteinander ist, um sich wohl zu fühlen. Im Gegensatz zu Erwachsenen haben Jugendliche viel mehr Entscheidungen noch vor sich: über Schule, Ausbildung, Beruf, Partnerschaft, Familie oder Wohnort. Die Krisenerfahrung wird auch verändern, welche Berufsbilder als systemrelevant und sicher wahrgenommen werden. Junge Menschen vermissen am meisten, dass sie ihr Leben so unbeschwert und normal leben dürfen, wie die Generationen vor ihnen. Dabei geht es nicht nur ums Feiern oder Reisen! Es geht insbesondere auch um das Lernen und Arbeiten, was sich zum Beispiel als Erstsemester im Online-Studium vom Kinderzimmer aus – ohne Profs und Kommilitoninnen und Kommilitonen je zu treffen, echt komisch und wenig motivierend anfühlt.

Vor Corona war der Klimaschutz das beherrschende Jugend-Thema. Heute fragen Medien wie der österreichische Standard schon, was Greta Thunberg heute eigentlich so mache. Wie stark beschäftigt das Thema Klimaschutz die Jugendlichen aus Ihrer Sicht derzeit?
Simon Schnetzer Ich erfahre in Interviews mit Jugendlichen sehr viel Verständnis dafür, dass jetzt die Themen Wirtschaft und Beschäftigung gerade Vorrang haben. Das deckt sich auch mit der Beobachtung, dass Jugendliche sich generationenübergreifend überwiegend sehr sozial und rücksichtsvoll verhalten. Das Thema Klimaschutz ist derzeit nicht weniger präsent: Doch wenn Eltern in Kurzarbeit sind, das Familieneinkommen knapp wird oder die Lehrstelle nicht angetreten werden kann, dann fällt es Jugendlichen schwer, die Sorge ums Klima an erste Stelle zu setzen. Ich sehe eine Mega-Chance darin, Klimaschutz jetzt über die Corona-Hilfsprogramme und Investitionspakete zum neuen Standard in der Wirtschaft zu machen. Greta Thunberg hört nicht auf zu streiken und fordert mittlerweile nicht mehr "alles Mögliche", sondern "das Unmögliche" zu tun, um die Klimaerwärmung einzudämmen.

Eines Ihrer großen Themen ist die Frage, wie Unternehmen sich als Arbeitgeber profilieren – wie sie die Generation Z für sich begeistern können. Was wird sich hier für die Arbeitgeber verändern und was empfehlen Sie ihnen im Umgang mit der GenZ?
Simon Schnetzer Bisher lautete die Formel für die Generation Z: Spaß, Sinn und Sicherheit. In Zukunft wird die Sicherheit, einen Arbeitsplatz zu haben an die erste Stelle rücken. Spaß, worunter die meisten eine angenehme Arbeitsatmosphäre verstehen, wird erst wieder zentral, wenn die Sicherheitsfrage geklärt ist. Es wird für Arbeitgeber zum Beispiel im Tourismus oder der Event-Industrie schwieriger werden, gute Mitarbeitende für sich zu begeistern, solange die Unsicherheit der Krisenerfahrung in der Luft liegt. Sicherheit ist insofern erstmal kein Begeisterungskriterium, sondern ein K.-o.-Kriterium. Damit müssen Arbeitgeber künftig umgehen, um Vertrauen in das Unternehmen zu schaffen und Perspektiven trotz einer möglichen weiteren Pandemie-Welle. Die neue hybride Arbeitswelt, in der Remote-Working im Homeoffice und die Arbeit im Büro fröhlich koexistieren, bietet coole Möglichkeiten, Mitarbeitende auch überregional zu rekrutieren. Damit wird der soziale Charakter des Arbeitens im Office wichtiger und statt Arbeitsplätzen, werden Präsenz-Büros künftig mehr Gelegenheiten zum Socializen anbieten.

Zur Person
Simon Schnetzer ist 1979 in Kempten im Allgäu geboren. Nach beruflichen Stationen in Berlin, Genf, London und Nairobi hat sich der studierte Volkswirt in seiner Heimat als Jugendforscher, Speaker und Trainer selbständig gemacht. Seit 2010 veröffentlicht er die Studie Junge Deutsche, um die Veränderung der Lebens- und Arbeitswelten zu erforschen und zu gestalten. Außerdem engagiert Simon Schnetzer sich für die Gründerszene im Allgäu und betreibt die preisgekrönte Gründervilla, um Menschen mit Ideen eine Bühne und Machern eine Heimat zu bieten. Die nächste Untersuchung "Junge Deutsche 2021" soll im Herbst starten, wenn sich der der Corona-Wirbel gelegt hat und sich in Schule und Job, im Umgang mit Freunden und Familie, beim Reisen und Feiern ein neues Normal abzeichnet. 

Klimafreundliches Verhalten zwischen Theorie und Praxis II

Klimaschutz ist Jugendlichen wichtig, soll aber nicht weh tun: Müll/Plastik zu vermeiden, fällt im Zweifelsfalle leichter als der Verzicht auf Billigmode. Spannende Thesen dazu von Axel Dammler auf dem heutigen Kindermedienkongress.

„Gebt den Kindern das Kommando…“

Dr. Florian Feltes* stellt in seinem Expertenbeitrag spannende Ergebnisse einer Studie** zum Führungsverhalten der Generation Y vor.

1986 veröffentlichte Herbert Grönemeyer das Lied „Kinder an die Macht“. Nun ist Grönemeyer wahrlich kein Futurist, Zukunftsforscher oder Managementdenker, jedoch hat er mit seinem Lied den Nerv der Zeit, den Nerv der damals geborenen und heute in Führungspositionen angekommenen jungen Erwachsenen getroffen.

Was Grönemeyer leider nicht berücksichtigte, als er forderte „Gebt den Kindern das Kommando“, war, dass diejenigen die das Kommando in den Firmen bisher hatten, gar nicht so gerne loslassen. Bloß kein Macht- oder Statusverlust! Bloß nicht über Jahre gewachsene, hart erkämpfte Strukturen einreißen. Denn die Kinder von damals, die heutige GenY, „sie sind die wahren Anarchisten, lieben das Chaos, räumen ab, kennen keine Rechte, keine Pflichten, noch ungebeugte Kraft, massenhaft, ungestümer Stolz…“. Sie ticken, was Führung von Mitarbeitern betrifft, schon anders, als vorherige Generationen. Daher ist der Ruf nach Veränderung im Unternehmenskontext aktueller denn je.

Le luxe c’est moi – Was für Millennials Luxus ist

Luxus-Expertin Petra-Anna Herhoffer* hat im Vorfeld des siebten Luxury Business Day zehn Thesen zum Luxusverständnis der Generation Z und der Millennials formuliert. Warum Luxusmarken sich mit dem Thema „Sofortness“ beschäftigen müssen und was sie über eine Generation zwischen #wokeuplikethis, #wanderlust und fifty shades of everything wissen sollten …

Instagram hui, Facebook pfui: So nutzen Teenager Social Media

„Facebook hat Probleme, bei Teenagern zu punkten. Aber wo das Netzwerk Facebook versagt, ist das Unternehmen Facebook erfolgreich,“ sagt Dr. Roland Heintze: „Schließlich gehören WhatsApp und Instagram inzwischen ebenfalls zur Facebook-Gruppe.“ Der  PR-Profi, Social-Media-Experte und Geschäftsführende Gesellschafter der Hamburger Kommunikationsberatung Faktenkontor analysiert für jugendvonheute.de die Ergebnisse des Social-Media-Atlas* – vor allem im Hinblick auf die Nutzung junger Zielgruppen.

Digital Natives – mit der Generation Z einen Blick in die Zukunft werfen

Christian von Reventlow, Innovationschef der Deutschen Telekom, erklärt bei jugendvonheute.de, was die „Generation Internet“ ausmacht, wie sie tickt und was uns zukünftig erwartet. Vom Ende des Smartphones und einer Aufmerksamkeitsspanne von acht Sekunden …

Tipps von Influencern an Unternehmen

Ob Liebe, Lachen oder Lebenshilfe: 2016 war das Jahr der Blogger, Youtuber und Social Influencer: Während sich die unter Fans und Followern bereits bekannten Gesichter inzwischen auch in der deutschen Werbelandschaft einen Namen gemacht haben, wächst das Interesse der Unternehmen an den kleineren Blogs. Kooperationen mit Influencern sind in aller Munde und „Blogger“ löst langsam „Model“ und „Musiker“ unter den Traumjobs der jüngsten Generation ab. Die Berliner Agentur Mashup Communications* hat Blogger befragt, wie Unternehmen 2017 erfolgreich mit Influencern zusammenarbeiten.

Mittelstand im Niemandsland? Der Arbeitsmarkt aus Sicht von jungen Erwachsenen

Ralf Weinen, Psychologe und Leiter der Markt- und Sozialforschung der Kommunikationsagentur A&B One, zeigt, was junge Talente von mittelständischen Unternehmen halten und wie Firmen darauf im Recruiting reagieren müssen. Viele Studierende denken bei Mittelstand erst einmal: „Stillstand“ und viele (ehemals) mittelständische Tugenden werden heute von Start-ups besetzt. So lauten zentrale Ergebnisse einer qualitativen Befragung von A&B One. Die Studie räumt außerdem auf mit Klischees über das Selbstverständnis der Generation Y, die allzu oft das Employer Branding der Unternehmen leiten:

„Wie kauft Deutschland übermorgen ein?“

Prof. Peter Wippermann bringt bei jugendvonheute.de auf den Punkt, wie Kinder sich die Zukunft des Einkaufens vorstellen – und zeigt, wie dies den Handel prägen wird:
Wer sich mit der Zukunft beschäftigt, ist gut damit beraten, diejenigen direkt mit einzubeziehen, die diese Zukunft als junge Erwachsene mitgestalten werden. In unserem Fall – der QVC-Zukunftsstudie Handel 2036 – haben wir deshalb Mädchen und Jungs zwischen 10 und 13 Jahren zu mehreren Workshops geladen. Um mehr darüber zu erfahren, was Einkaufen für sie bedeutet.

Randolf Rodenstock: Generation Y – die Chancen für die Wirtschaft

Die Generation Y scheint für viele Arbeitgeber fast eine Zumutung, zumindest aber eine Herausforderung darzustellen. Sie wird gerne als zu wenig karriereorientiert, illoyal, faul und führungsfeindlich beschrieben. Prof. Randolf Rodenstock*, Aufsichtsrat der Rodenstock GmbH und Vorstandsvorsitzender des Roman Herzog Instituts**, hinterfragt diese (Vor-)Urteile. Er zeigt, wie Unternehmen Nutzen aus der Generationenvielfalt ziehen können ­– wenn sie nur sich wandelnde Einstellungen und Bedürfnisse junger Arbeitnehmer in ihre Unternehmenskultur integrieren.