QR-Codes – ein Selbstversuch: Drei Tage lang wird jedes schwarz-weiße Quadrat gescannt, das mir vors Smartphone gerät. Ich gehe vor QR-Codes auf die Knie und wachse über mich hinaus, um die zu scannen, die mir zu hoch (angebracht) sind. Ein Bericht über QR-Frust, -Fehler und -Favoriten.
Das fängt ja gut an! QR-Code Nummer eins, ein Citylight-Plakat zur „Langen Nacht der Musik“ in München. Toll, die war am 11. Mai – was auch zu Beginn meines QR-Tests schon einen satten Monat her ist. Immerhin sagt mir die Landingpage, dass ich mich auf die nächste Veranstaltung am 14. Mai 2014 freuen kann. Ich freue mich. Schließlich ist nicht der Code, sondern die schlechte Auslastung der Plakatstelle schuld. Was hängt, bleibt eben hängen, bis der nächste Kunde mit Auftrag droht.
Im Untergeschoss des Münchner Hauptbahnhofs wird’s peinlich. Meinen guten Vorsatz einhaltend, scanne ich auch den QR-Code im Schaufenster eines Erotikshops und ernte – nennen wir es „merkwürdige“ – Blicke der Passanten. Der QR-Code des Sexshops aber funktioniert: Sofort wird, der Platzierung am Bahnhof bestens entsprechend, „Reisebedarf“ angeboten.
Wechsel zum Seriösen: 47 Minuten „Spiegel“-Lektüre, Abbruch bei QR-Code Nummer 8. Für noch mehr Spaß und Mehrwert (Videos, Interviews, aber auch Produktinformationen) habe ich gerade keine Zeit. Wieder kein QR-Code-Problem. Kommt noch. Und zwar jetzt:
Die Platzierung
Manche QR-Codes sind mir einfach zu hoch. Und das liegt nicht an meiner Gesamtlänge von 1,64 Metern. Ein Rasterquadrat von wenigen Zentimetern Seitenlänge lässt – hoch über den Köpfen in der Halle des Münchner Hauptbahnhofs platziert – selbst Zwei-Meter-Männer und ihre QR-Code-Reader versagen.
Auch bei „Bückware“ würde ich normalerweise streiken. Im Rahmen des Selbstversuchs aber falle ich vor Geschäften auf die Knie, um dem Code, der die Ladentür ganz unten ziert, sein Geheimnis zu entlocken. Schade, wenn man dann nur auf der Homepage landet, deren Adresse man schneller – und in diesem Fall vor allem bequemer – eingetippt hätte.
QR-Codes gibt’s sogar im Internet – wo man doch mit einem Klick überallhin käme. Klingt sinnlos – und das ist es auch. Veltins bewirbt bei Youtube eine QR-Code-Aktion auf seinen V+-Flaschen. Zitat: „1.) Bauchetikett abziehen und QR-Code auf der Etiketten-Innenseite einscannen. 2.) Einen von vielen Fun-Clips erleben, mit Deinen Freunden teilen …“ Per Klick geht’s zu einer Auswahl von Videos. Scannt man den QR-Code bei Youtube, kann man auf alle Videos zugreifen, am Gewinnspiel teilnehmen und sich den man sich den Griff zur (V+)Flasche sparen.
Die Halbwertszeit
Noch mehr nerven manche Platzierungen, wenn die Halbwertszeit von QR-Codes unterschätzt wird. Wer brav und quick respondet, fühlt sich von werbenden Unternehmen schlicht ver…hohnepipelt. Kurz: Bei „404 That’s an Error“ werde ich NICHT Kundin dieser Reinigung.
Platz zwei in meinem persönlichen Ranking der QR-Code-Unhöflichkeiten: QR-Codes, die auf Webseiten führen, die nicht für den mobilen Zugriff optimiert sind. Soll ich den QR-Code scannen, um dann am Computer die Web-Adresse einzugeben, die der Reader gespeichert hat? Soll ich wohl. Mach ich aber nicht. Lieber suche ich nach schönen QR-Code-Erlebnissen. Die Favoriten meines Selbstversuchs:
QR-Lieblinge
Tengelmann: Wer sich bewerben will, muss nur eine überzeugte Werbeträgerin – die Auszubildende Dilek Dogan – in ihrem T-Shirt scannen (oder fragt sie direkt nach ihren Erfahrungen). Wem das zu persönlich ist: Alternativ gibt es den QR-Code bis August auch auf Plakaten und Lieferfahrzeugen.
nextbike: Code scannen, App laden, anmelden, aufsteigen, losradeln. Schade, dass mein Auto um die Ecke parkt.
Pasing Arcaden: Staubschutzwand, Kunstwerk und QR-Code-Überraschungspaket in einem. Da bedauert man schon fast, wenn die Renovierung bald abgeschlossen ist.
Fazit
Dank geschärftem QR-Code-Blick haben sich die meist schwarz-weißen Rasterquadrate in den letzten drei Tagen vermehrt wie die Karnickel. Beim Autofahren artet das aus: QR-Stop-and-go. Zur Lektüre von „Zeit“-schriften muss man selbige haben oder wählerisch werden: 13 QR-Codes im „Spiegel“,„Business Punk“ und „ADAC-Motorwelt“ bringen es in einer Ausgabe auf neun weiterführende Quadrate. Eindeutige Diagnose zum Ende des Selbstversuchs: QR-Code-Sucht. Die Symptome verstärken sich nach dem Experiment, weil ich nur noch scanne, was mich interessiert, und nur dann, wenn ich Zeit und Lust habe. Und plötzlich ist es wieder halb so schlimm, wenn der QR-Code in eine Sackgasse oder „nur“ zur Homepage führt, deren Adresse ich von Hand schneller eingegeben hätte. Trotzdem: Ich will Mehrwert, Nutzwert und Seiten, die auf meinem Smartphone auch gut aussehen! Aber mit QR-Codes ist es wie mit Ikea: Man nimmt mehr mit, als man eigentlich will. Manchmal gibt es Schwierigkeiten beim Aufbau, und nicht immer entspricht das Ergebnis den Erwartungen. Aber wie beim schwedischen Möbelhaus gilt auch für QR-Codes: „Entdecke die Möglichkeiten!“
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